Die Landschaftsmalerei von Andreas Schön (geb. 1955) vereint traditionelle und moderne Elemente. Gleichwohl bricht der Künstler mit den herkömmlichen Darstellungsformen der Landschaftsmalerei, indem er u. a. keinem botanischen Interesse nachgeht und den landschaftlichen sowie den floralen Elementen jeden Raumbezug entzieht.
Dies wird insbesondere in den Blumenbildern augenscheinlich: Ohne den sichtbaren Halt – beispielsweise in einer Vase – verlieren sich die einzelnen Blumen in einem nahezu unbestimmten Raum. Das auf den ersten Blick leicht und lebendig anmutende Werk »Ninive« enthüllt in Motiv und Titel erst auf den zweiten Blick seine morbide Bedeutung. In der Geschichte der Malerei steht das Blumenmotiv oftmals in einem spirituellen oder sinnbildlichen Zusammenhang. So symbolisiert die Schönheit der schnell verwelkenden Blume die Vergänglichkeit der menschlichen Existenz. Die von Andreas Schön getroffene Wahl der gelb-weißen Blüte, die einer Margerite ähnelt, verstärkt diese schwermütige Deutung. Die Wiesenblume wird mit einer Perle, mit Tränen und in Analogie dazu mit vergossenen Blutstropfen verglichen und verknüpft. In diesem konnotierten Zusammenhang ist auch der Titel des Gemäldes zu lesen: Ninive ist die antike Hauptstadt der Assyrer am Tigris. In alttestamentlichen Schriften wird dieser mesopotamischen Stadt, die generell eine beherrschende Großmacht symbolisiert, ein vernichtender Untergang prophezeit. Die inhaltliche Nähe zwischen dem mit Blut behafteten Namen der Stadt und dem Memento mori, der implizierten Mahnung des Blumenstilllebens, offenbart eine gedankenvolle Bedeutungsebene des vordergründig dekorativen Gemäldes »Ninive«.