Ein erster Blick auf die Buntstift-Zeichnungen des jungen japanischen Künstlers Takehito Koganezawa (geb. 1974) mag Irritationen nach sich ziehen, kombiniert der Künstler doch heterogene Motive wie Alltags- und Gebrauchsgegenstände, Figuren, Köpfe, Pflanzen, Tiere und Formen, verwebt sie, stellt sie in Beziehung zueinander und schafft gleichsam skurrile, spielerisch-kindliche, vielleicht auch poetische Momente.
Die Irritation des Betrachters wird zudem durch die großflächig frei belassenen Stellen des Papiers verstärkt, die in diesen Arbeiten das Zusammenspiel der einzelnen Motive zu verhindern scheinen. Doch inszeniert der Künstler damit Abhängigkeiten von Dargestelltem und Abwesendem und kreiert ein spannungsreiches Bildgefüge. Zügig zeichnet Koganezawa seine Figuren auf das Papier: »Ich mache Zeichnungen [...] und der Grund fürs Zeichnen ist, dass auch der Strich eine Art Ur-Fluss hat. Mich interessiert, wie man diese Flüsse mischen oder konstruieren kann.«Dieses Interesse verbindet der Künstler auch in seinen Video- und Installationsarbeiten, bei denen Linien und Striche einer Zeichnung eingescannt, im Computer bearbeitet und im Anschluss als animierte Bilder auf die Wand projiziert werden können. Das Medium Zeichnung bietet für Koganezawa die Möglichkeit der intimen künstlerischen Auseinandersetzung in einem Akt voller Spontanität und stilistischer Freiheit. Der Künstler vermeidet absichtsvoll, Bedeutung, intellektuelle Konnotationen und konkrete Bezüge herzustellen. Koganezawa, 1999 aufgrund eines Stipendiums von Tokyo nach Berlin gekommen, bannt in seinen Motiven vielmehr Eindrücke, die er während seiner Zeit in Berlin durch Beobachtung der Menschen eingefangen hat. Wenn er schon in Tokyo ein guter Beobachter war, formt sich diese Gabe in Berlin besonders stark heraus: Denn Koganezawa ist bei seiner Ankunft in Berlin der deutschen Sprache nicht mächtig und studiert die europäische Kultur, die Stadt, ja den europäischen Menschen, wenn nicht den Berliner, vorerst aus der Ferne. »Ich gab den Versuch auf, die Welt durch Sprache zu begreifen, und suchte nach anderen Wegen. Meine gesamte Arbeit ist eine Spur. Einige Arbeiten beinhalten die Reste eines Wracks des Denkens. Es entsteht aus kleiner Bedeutung und riesigem Unsinn.« Die solitär auf dem Bildgrund stehenden Motive der Zeichnungen können narrative Elemente aufweisen und Querverweise herstellen sowie die Irritationen des ersten Blicks beheben. Ein Versuch, die dargestellten Personen in den Zeichnungen in sein persönliches Umfeld einzuordnen, muss jedoch fehlschlagen. Koganezawa stellt zwar stets Verbindungen zur realen Welt her, geht hingegen selten – der zurückhaltenden japanischen Mentalität entsprechend? – eindeutig zuweisend oder erklärend auf das Bildgeschehen ein.