Marc-Antoine Fehr (geb. 1953) wird in den 1980er Jahren zunächst als Maler mit großformatigen Gemälden wie "Die Versuchung des hl. Antonius" (1983/86) bekannt. Phantastisch-surreale Bilder bilden eine weitere wichtige Werkgruppe in seiner figurativ orientierten Malerei.
Parallel gewinnt sein zeichnerisches Werk zunehmend an Bedeutung, das stilistisch bis ins frühe 19. Jahrhundert, bis in die Zeit der Romantik verweist. Auch die zwischen 1998 und 2000 geschaffenen Blätter Marc-Antoine Fehrs – Sohn der Malerin Marie-Hélène Clément und Enkel des Malers Charles Clément – sind offenbar von Zeichnungen des 19. Jahrhunderts angeregt und bleiben dennoch dezidiert zeitgenössisch. Denn mit einer spezifischen Mischtechnik von gedeckten Aquarellfarben und Gouache entwickelt der Künstler eine eigentümliche, zurückhaltende Bildstimmung. So lauert selbst in den ›harmlosesten‹ Stillleben und ›unverdächtigsten‹ Landschaftsausschnitten das Moment des Umkippens, das Ordnung und Verbindlichkeit mit einem Mal vernichten könnte. Das liegt nicht allein an der vagen Konsistenz der Gegenstände, sondern auch an der Atmosphäre, die Mensch, Natur und Dingwelt bannt. Gleichzeitig spiegeln sie den alltäglichen Lebensraum des Malers, der sich gerne »Stilllebenmaler« nennt. Er führt seit über dreißig Jahren ein zurückgezogenes Leben im Burgund. Sein Motivrepertoire schöpft er aus seiner unmittelbaren Umgebung. Die Ruhe des Ortes und die Räume des Landschlosses und ein dazugehöriger Park inspirieren ihn immer wieder zu Bildern nach der Natur. In diesem privaten Mikrokosmos begegnen Fehr neben der Landschaft auch weitere klassische Motive der Kunstgeschichte, etwa das interieurhafte Porträt und das Selbstbildnis: zum Beispiel Ruth, die schreibende Frau des Künstlers, mit ihm als Schattenfigur im Hintergrund (»Ruth écrivant une lettre«) und der Schwager Jürg, sinnierend im Sessel (»Jürg au fauteuil vert«). Das Papier trägt, wie einige andere Zeichnungen auch, Spuren früherer Benutzung. Auf der Rückseite von fremder Hand mit Feder beschriftet, schlagen die 1881 datierten Schriftzüge schwach auf die Vorderseite durch. Es sind kalligraphische Übungen der Töchter des Schloss-Erbauers, Louise und Antonie de Longeville. Auch auf diese Weise und durch die haptische Qualität des alten Papiers scheint in diesen Blättern Marc-Antoine Fehrs das 19. Jahrhundert auf. Die vorliegenden Zeichnungen von 1998 bis 2000 können auch als Vorboten eines besonderen Projekts des Künstlers gesehen werden. In seinem »Journal de Pressy« hat er tagebuchartig sein Leben Tag für Tag zeichnerisch dokumentiert. Es ist, so Marc-Antoine Fehr, »eine große poetische Meditation über eine (meine?) Reise durchs Leben«. Die Poesie dieser Arbeiten erschöpft sich dabei nicht in ihrer Schönheit, sondern transportiert stets eine Stimmung, die an die unheimlichen Geschichten etwa E. T. A. Hoffmanns erinnert.