Qin Yufen (geb. 1954) schuf 2002 für die Eingangshalle des Herbert-Quandt-Hauses die Klanginstallation »Bambus der fünf Elemente«. Nur an dünnen Drähten befestigt, schweben fünf Bambusrohre, aus denen digitale Töne erklingen, waagerecht und auf unterschiedlichen Höhen in der Halle.
Das Material Bambus bildet aufgrund seiner wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung ein Hauptthema in der chinesischen Malerei und Literatur. Das Süßgras ist äußerst biegsam, belastbar und in seiner Schlichtheit sehr ästhetisch. Qin nutzt das Material als Ausdrucksträger einer inneren Kraft. Qin Yufen stieß während ihren Überlegungen auf den chinesischen Dichter Wang Yucheng (954–1001) aus der Zeit der nördlichen Song-Dynastie. Dieser war in die Stadt Huanggang in der Provinz Hubei verbannt worden und ließ am Fluss Yangtse einen Pavillon aus Bambus bauen. Er preist das Material als besonderen Klangkörper und beschreibt, wie die Geräusche des Regens und des Schneefalls, die menschliche Stimme, Melodien und die Akustik diverser Spiele im Bambushaus angenehm widerhallen. In dieser besonderen Atmosphäre kommt der verbannte Dichter zur Ruhe. Inspiriert von dieser Schilderung reist Qin Yufen in die Provinz Hubei. Sie nimmt die Geräusche der Bambuswälder und der Seidenreiher, das Spiel einer Bambusflöte, die Wasserbewegungen eines Baches und die Rezitation des Textes von Wang in chinesischer Sprache auf. Die Künstlerin bearbeitet diese Vielzahl akustischer Eindrücke digital und programmiert sie zu einer Komposition für fünf Kanäle. Diese erklingt schließlich aus den fünf Bambusrohren und transportiert summarisch die besinnliche Tonskala um die Pflanze. Die Ziffer im Titel und die Anzahl der Rohre verweisen auf die chinesische Symbolik der Zahl Fünf. Im Gegensatz zur europäischen Kultur kennt die chinesische fünf Elemente und Jahreszeiten (einschließlich Metall und langem Sommer). Jedes Grundelement und jede Jahreszeit ist einem menschlichen Organ und einer Körperfunktion zugeordnet. Die Zahl Fünf veranschaulicht die enge Bindung zwischen Mensch und Natur. Die Künstlerin verknüpft in ihrem Konzept chinesische Tradition (Material, Zahlensymbolik) und neueste Technologie (Klangkomposition). Diese Gegensätze sind durch den jeweiligen starken Bezug zur Natur, zu Harmonie und Besinnung miteinander verbunden und stehen in einem spannungsvollen Gleichgewicht. Qin Yufen zeigt mit diesem Thema, dass das Streben nach Harmonie in der chinesischen wie auch in der europäischen Kultur beheimatet ist. Der Mensch soll im Alltag aus der ruhigen Inszenierung und den sphärischen Tönen Kraft schöpfen.