Walter Dahn, der 1971 mit 17 Jahren bei Joseph Beuys an der Düsseldorfer Kunstakademie ein Studium begann, ist ein Künstler, in dessen Werk alle Formen künstlerischen Arbeitens aufzufinden sind: Malerei, Zeichnung, Skulptur, Installation, Film oder eben Fotografie. Bei aller Heterogenität, oder anders, bei aller Konstanz des ständigen Experimentierens sind Dahns Arbeiten immer 'existenziell', immer Ausdruck einer Beziehung zur Existenz, zum Hier und Jetzt. Mit seinen "Wespen" lenkt er den Blick auf die unspektakuläre Alltags-Natur.
Die Fotoarbeit von Walter Dahn (geb. 1954) zeigt tote Wespen vor einem neutral scheinenden Hintergrund. Die Brennweite wurde bei der Aufnahme auf die mittlere Bildzone fokussiert, so dass Vorder- und Hintergrund stark verschwimmen. Während sich in dem eng begrenzten, scharf eingestellten Bereich alle Details, besonders die transparenten Flügel der reglosen Insekten mit ihrem zarten Aderngewebe, faszinierend genau erkennen lassen, bleibt der Liegeplatz der pelzigen Tiere im Ungenauen, Diffusen. Umso stärker richtet sich die Konzentration auf die Wespen selbst, die Dahn wohl eines Tages zufällig auf dem Fensterbrett seines Ateliers entdeckte und mithilfe seiner präzisen Fotografie kalkuliert inszenierte. Der Blow-up-Effekt durch die starke Vergrößerung und das kontextlose Arrangement führen zu einer Monumentalisierung der Motive. Ein paar tote Insekten, die zumeist ohne großes Aufheben entfernt werden, überdauern als naturhafte Schöpfungen im Bild. "Fotografien auratisieren wie Vitrinen", schreibt Michael Glasmeier über eine andere fotografische Arbeit des Künstlers, die in einem ähnlichen zeitlichen wie thematischen Kontext entstand. Gemeint ist damit eine Distanz, eine Fremdheit, die sich durch eine (künstlerische) Inszenierung zwischen Objekt und Betrachter schiebt. Das Bekannte erscheint plötzlich, als hätte man es noch nie wirklich gesehen. So wie im Museum das Alltagsding zum unberührbaren und symbolbehafteten Ausstellungsstück werden kann, so scheinen die Körper der Insekten mit einem Mal auf eine weitere, eine kreatürliche Sinnebene zu verweisen. Es sind nicht mehr nur ein paar Wespen, die man lieber tot als lebendig vorfindet – die Fotografie verleiht ihnen eine neue Schönheit und lässt sie ästhetisch überdauern. Ihr diffiziler Körperbau, die Zartheit ihrer Flügel, die Unterschiedlichkeit der Oberflächenstruktur – all dieses holt erst das Bild vor die Augen des Betrachters. Aus dem belebten Tier wird ein Anschauungsobjekt, wird Kunst. Zudem öffnen sich assoziative Konnotationen. Vielleicht wird man angesichts der Stille und Reglosigkeit, die die Tiere umgibt, an die eigene Vergänglichkeit erinnert: ein aus der Kunstgeschichte bekanntes Memento mori, eine Mahnung an den Tod.