Aus dem »O1–O16« betitelten Zyklus kleiner Ölskizzen von Thomas Kohl (geb. 1960) und aus seinem großformatigen Gemälde »Bach« spricht eine spannungsvolle Ambivalenz von Landschaft und Abstraktion.
Sie ist charakteristisch für das Schaffen des Künstlers seit Beginn der 1990er Jahre: Die vordergründige Folie des Landschaftsthemas, vorgetragen in zarten Farbklängen in Blau, Grau, Erdfarben und Grün auf den deutlich in die Bildwirkung einbezogenen weißen Malgrund ins Querformat gesetzt, löst sich nach und nach ins Abstrakte auf. So stellt sich beim Betrachter bald die Ahnung ein, dass die Landschaften gar keine Landschaften, dass Kohls Arbeiten vielmehr abstrakt sind. »Es gibt keine Landschaft. Landschaft ist ein Modell, das sich der Mensch geschaffen hat, um Natur zu verstehen«, sagt der Künstler zu diesem seinen Arbeiten innewohnenden Widerspruch. Dieses scheinbare Paradoxon fasziniert umso mehr im Wissen um Kohls Konzentration auf eben dieses Thema – das gar kein Thema ist. Konzentration aber bedeutet in diesem Zusammenhang Radikalität. So geschieht die Bildfindung eines jeden Werkes bzw. Zyklus bei Thomas Kohl in einem vielschichtigen Prozess: Das Schauen der Landschaft, das visuelle wie zeichnerische Landschaftsstudium, d. h. die Seherfahrung einer realen Landschaft und letztlich auch das emotionale Erleben von Landschaft gehen der bildnerischen Lösung voraus. Zugleich ist Kohl nicht frei von Seherinnerungen kunsthistorischer Vorbilder – vor allem von Landschaften William Turners und Caspar David Friedrichs. Dann aber löst er sich in einem langen gedanklichen Prozess gleichsam von dem »Ballast an Konkretem wie Vergangenem«, um seine Bildlösung zunächst gedanklich in seinem Inneren zu finden. Schließlich hält er dieses innere Bild im Atelier in einem relativ spontanen Malakt auf der Leinwand fest. So wird das Motiv der Landschaft lediglich zum Anlass für eine abstrakte Komposition, die zwar Landschaftsassoziationen zulässt, aber nicht die Landschaft ›meint‹, sondern eine davon abstrahierte Komposition. Diese Loslösung vom Gegenstand Landschaft geht so weit, dass es querformatige Kompositionen in Weiß, Grau und hellem Blau von Thomas Kohl gibt, die sich auch umkehren, bzw. »auf den Kopf« hängen lassen. D. h. in der einen Richtung gesehen meint der Betrachter Assoziationen an eine Berglandschaft zu erkennen, in der anderen Richtung scheint sich die Berglandschaft zu einem Seestück zu wandeln. Damit schwingt auch im scheinbar Gegenständlichen eine Ambivalenz mit, ist größte Offenheit und Abstraktion des zunächst so eindeutigen Motivs gegeben.