Giuseppe Penone (geb. 1947) hat sich als Künstler der Arte-Povera-Bewegung in seinem umfangreichen Œuvre seit den späten 1960er Jahren vor allem intensiv mit der Natur auseinandergesetzt: Seine Arbeit findet ausnahmslos in und mit der Natur statt.
Die Formen und Verfahren seiner künstlerischen Beschäftigung mit diesem Thema sind ebenso dem Wandel unterworfen wie die Natur selbst, die er bildnerisch zu fassen sucht. Vereint sind die Werke in ihrem unmittelbaren Dialog mit der Natur; sie schöpfen daraus ihre eindringliche Schönheit und Poesie. Stellvertretend für natürliche Prozesse kommt im Œuvre des Künstlers dem Baum eine zentrale Bedeutung zu: Penone begreift den Baum als lebendes Objekt, als prozessuale Skulptur, deren sich stetig verändernde Identität er aufzeigt. Für den Künstler ist der Baum ein Denkmal, das die Bedingungen des Lebens in Jahresringen, Rinde und Zweigwerk spiegelt.
In »Verde del Bosco« umwickelt er den Baumstamm und die Äste mit einem großen Baumwolltuch und reibt mit Blättern des Baumes die Rindenstruktur durch das Tuch. Diese Frottage-Technik ist in der Kunstgeschichte vor allem durch Arbeiten von Max Ernst bekannt geworden. Die durchgedrückten Baumspuren wirken auf der Baumwolle einerseits lebendig und ›natürlich‹. Andererseits erhält die Darstellung durch das Wissen um die Vergänglichkeit des Dargestellten einen beinahe sakralen Ausdruck. Den Kunstcharakter betont Penone durch den Bronzeabguss eines Blattes, den er in der Mitte der Arbeit montiert und der wie ein Herz im Zentrum der adrigen Strukturen zu pulsieren scheint. Das Blatt stellt auch den Kulminationspunkt natürlicher Formen und künstlerischer Formung dar. Dieser Zusammenhang von Natur und Kultur ist ferner auch als Reflex Penones auf die Antike zu deuten. In der Antike war »Kultur« als Bearbeitung des fruchtbaren Bodens zu verstehen. Ein anderer Mythos der Antike ist die Geschichte der Daphne, deren menschliche Gestalt in einen Baum verwandelt wurde.
Die stete Wechselbeziehung von Natur und Kultur bearbeitet Penone auch in seiner Arbeit »Trentatré erbe«, einer Fotoarbeit aus 33 Einzelteilen. Die Abdrücke der 33 Kräuter entstehen zunächst ebenfalls in der Frottagetechnik, durch den Abdruck des grünen Chlorophylls auf weißem Papier. Der Künstler umfasst die so entstandenen pflanzlichen Formen teilweise mit assoziativen Texten, indem er lange handschriftliche Textzeilen entlang einiger Kräuterabdrucke hinzufügt. Durch diese Sammlung von 33 Kräutern in Kombination mit Schriftzügen erhält die Arbeit etwas Enzyklopädisches, ähnlich den Kräuterbüchern des Mittelalters. Diese Enzyklopädien dokumentieren den ungetrübten – inzwischen fast verlorenen – Sinn des Menschen für die (Heil-)kraft der Natur. Auch die Zahl 33 steht symbolhaft für die Universalität von Wahrnehmung und Intuition, von Heilen und Vergeben. Penones Abdrücke der »trentaté erbe« stehen somit als zeitloses Zeichen einer Ganzheitlichkeit im Einklang von Mensch und Natur.