Charakteristisch für die Arbeiten von Wolfgang Laib (geb. 1950) ist der Umgang des Künstlers mit natürlichen Werkstoffen. Es ist hauptsächlich Blütenstaub von Löwenzahn, Kiefern, Moos und Haselnusssträuchern, aber auch Bienenwachs, den Wolfgang Laib im Rhythmus der Jahreszeiten sammelt und für seine Arbeiten verwendet.
Von März bis September widmet sich der Künstler ausschließlich dem Sammeln dieser Naturmaterialien an stillen und einsamen Orten in der Natur. Die Wochen in den Feldern und Wäldern bringen für ihn genug Zeit mit sich, um eine stille Zwiesprache mit der Natur anzuknüpfen. Wolfgang Laib reist oft nach Indien, eine der Gegenden, wo Blütenstaub in verschiedenen Ritualen eine wichtige Rolle spielt – als Opfergabe ist er Träger natürlicher und geistiger Kräfte. In dieser Funktion vermittelt er zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem. Und auch Laib möchte vermitteln – zwischen Kunst und Natur. Die in dieser Arbeit »Blütenstaub von Kiefern« verwendeten Kieferpollen sammelte Laib im Juni. Den Blütenstaub gewinnt er, indem er jede Blüte in ein Glas hineinbiegt und die wenigen Pollen dann aus den Staubbeuteln herausschüttelt. Konzentriert wiederholt er diesen Vorgang unzählige Male – ein fast meditativer Akt. Für den Künstler ist diese lang andauernde Arbeit ein wichtiger Bestandteil seines Werkprozesses. Währenddessen fühlt er sich den natürlichen Rhythmen der Lebensprozesse sehr verbunden.
Für den Aufbau der eigentlichen Arbeit siebt er schließlich den Blütenstaub mit einem Tuch über dem Boden aus. Langsam breitet sich so das Gelb als feinstes Puder, als Farbpartikel oder Farbpigmente in der Waagerechte aus. Die geometrische Form der Blütenstaubfläche wird dabei an seinen Rändern sogleich von der Luftbewegung im Raum aufgelöst. Nach und nach entfaltet sich die Leuchtkraft der natürlichen Farbe. Auch dieser Vorgang wird mit der nötigen Sorgfalt und Ruhe durchgeführt und ist ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil der Werkentstehung. Die strahlende farbliche Präsenz des reinen Naturmaterials erscheint schließlich nahezu übernatürlich. Diese Präsenz wird auch durch die flirrende Leichtigkeit der Arbeit verstärkt; der Blütenstaub scheint beinahe über dem Boden zu schweben.
So entsteht ein Farbfeld, das über das Bildhafte hinausgeht und eher den Charakter einer Rauminstallation hat. Die von Laib mit Blütenstaubfeldern belegten Räume strahlen dabei stets eine große kontemplative Ruhe aus. Hier kann sich der Betrachter ebenso ›sammeln‹, wie der Künstler es bei der Sammlung und Installation seines Werkstoffes getan hat. Laibs Blütenstaubfeld ist – wie die Blütezeit in Frühjahr und Sommer – von begrenzter Dauer. Nach einiger Zeit werden die Pollen mit einem Schaber aufgesammelt und in Gläsern aufbewahrt, bevor sie in einer späteren Installation wieder ihre Wirkung verbreiten können.