In den fotografischen Untersuchungen von Dieter Appelt (geb. 1935) spielt die Natur als Objekt und Motiv schon seit vielen Jahren eine zentrale Rolle.
In dieser aus 540 Einzelaufnahmen bestehenden Arbeit wurde der Wald im harten Gegenlicht von unterschiedlichen Standorten aus aufgenommenen. Die strenge Präsentationsform in fünf hochformatigen Rahmen betont das Prinzip der Wiederholung und suggeriert einen dokumentarischen Charakter. In der optischen Wahrnehmung der Einzelbilder treten entsprechend weniger die vegetabilen Strukturen, als vielmehr die Verteilung von Grauwerten in den Vordergrund. Das kontrastierende Hell-Dunkel der fotografischen Ausschnitte lässt die gesamte Sequenz eher als eine "Bild-Lichttonspur" erscheinen, wie Appelt es selbst beschreibt. Die entstandenen Bilder, die einzelnen 'Kader' werden zu einem langen Film-Band zusammengeklebt, von einem Großrechner der Technischen Universität Berlin eingelesen und in Ton-Geräusche übersetzt. "Die Vorstellung, dass es zu einem Ton kommen müsste, wenn ich im Gegenlicht den Waldrand aufnehme, war für mich plözlich sehr bedeutungsvoll geworden, was sich voll aktiver Handlung in die Waldrandabhörung niederschlug", beschreibt Appelt sein damaliges Interesse an dem Projekt. Eine spannungsvolle Analogie besteht zur Musik. Diese wird bereits im Werktitel durch den Begriff der Partitur angesprochen. So wie im Notationsverfahren vergängliche Töne fixiert werden, komponiert Appelt seine fotografischen Aufzeichnungen in einer festen, unveränderlichen Form. Seine Beschäftigung mit graphischen Notationssystemen von John Cage, Morton Feldman oder Iannis Xenakis während seines Musikstudiums in den 1950er Jahren in Leipzig und Berlin weckte sein Interesse an metrischen Räumen und gerechneten Tableaus. "Daraus erklärt sich auch die Wirkung, das Erkennen einer Affinität und der Anreiz zur Umsetzung bildhafter Partituren, die zunächst in 35 mm Cine-Film und daraus in gerechneten Tableaus zum übergreifenden Thema gewandelt wurden." Die großen formalen Qualitäten und konzeptuellen Anteile in Appelts Werk führen scheinbar weit fort vom sichtbaren Motiv, vom Wald als Natur- und Projektionsraum. Dennoch ist der Wald als mythische Grenze zwischen dem Bekannten und Unbekannten, als ein geheimnisvolles, dunkles Niemandsland in seiner Arbeit präsent. Das von Appelt gewählte unemotionale Verfahren der Fixierung und seriellen Katalogisierung erzeugt eine fast bedrohliche Stille. Es eröffnet sich eine Naturerfahrung, die heute Seltenheitswert hat: Der Wald ist kein domestizierter Ort, sondern ein magischer Raum, der einer vorsichtigen Annäherung bedarf.