Die deutsche Künstlerin Brigitte Waldach (geb. 1966) stellt in ihren vier großformatigen Bleistiftzeichnungen auf Papier, die gemeinsam ein monumentales Polyptychon ergeben, die Silhouette eines Waldes dar.
Die auf dem weißen Papier frei gelassenen Baumkronen sind mit Worten „gezeichnet“ und verlaufen sich in einem monochromen, bleistiftgrau angelegten Hintergrund. Seit ihrem Studium der Kunstgeschichte und der Germanistik gleichermaßen verpflichtet, verwendete die Künstlerin für die Waldzeichnung unter anderem Zitate von Heiner Müller, Walter Benjamin, David Foster Wallace und Ferdinand von Schirach, die sich mehr oder weniger auf den Wald beziehen. Für Brigitte Waldach ist die Schrift ein Zeichnungselement, sie benutzt die Worte wie Linien und bezieht auch die Linien der Schrift selbst in ihr Werk mit ein. Ihre synästhesieartige Vorgehensweise beschreibt die Künstlerin mit folgenden Worten: „Wenn ich lese, sehe ich Bilder, und wenn ich zeichne, sehe ich Texte. Ich kann keinen Bereich ohne den anderen denken.“ Die Texte verändert sie während ihrer Arbeit, sie benutzt Wortfetzen, kürzt oder moduliert sie und lässt sie selbst zur Zeichnung werden. Auch die Leerstellen, die sie bewusst setzt, werden in diesen Kosmos miteinbezogen: So gibt es beispielsweise eine große weiße, freie Fläche inmitten einer Baumkrone, die lediglich mit den Worten „Glätte und Schweigen“ gefüllt ist. Der Dialog zwischen Text und Zeichnung wird zu einer symbiotischen Verbindung, die in Brigitte Waldachs Werk untrennbar wird.
Das Motiv des Waldes ihres Polyptychons besitzt besonders in Deutschland einen bedeutungsreichen Sinngehalt: Beginnend im 19. Jahrhundert ist der deutsche Wald vor allem im Zuge der Romantik zu einem Sehnsuchtsbild geworden, das in Geschichten, Märchen und Sagen heraufbeschworen wurde. Ausgehend von dieser Vorstellung eröffnet der Wald für die Künstlerin einen „Freiraum“, eine weiße Leerstelle. Die Wörter und Geschichten umhüllen den Wald wie eine Schutzschicht und schirmen die dunkle Außenwelt von ihm ab, sodass in seinem Innern ein weiter, lebendiger Raum entsteht – Raum für den Menschen, für seine Gedanken, seine Worte und seine Bilder.