Die sechs Ölskizzen von Ralph Fleck (geb. 1951) zeigen Passanten auf der Straße. Haltung, Habitus und Kleidung machen dies unmissverständlich auf den ersten Blick klar, auch wenn jede Verortung der Figuren fehlt und nur das braune Papier den Hintergrund der wie ausgeschnitten wirkenden Personen bildet.
Es sind Momentaufnahmen von flüchtigen Bewegungen, ein langsames Schlendern oder zielgerichtetes Ausschreiten, ein kurzes Anhalten, um die Zigarette anzuzünden oder vielleicht ein Schaufenster zu betrachten. Niemand der sechs Passanten steht Modell, alle scheinen vielmehr unbemerkt durch das Teleobjektiv des Fotoapparates herangezoomt worden zu sein. Es sind ganz unterschiedliche Typen, herausgefiltert aus der Fülle des großstädtischen Treibens, einige in eleganter, andere in einfacher Kleidung mit einer Plastiktüte in der Hand. Ralph Fleck interessiert sich seit vielen Jahren für die Großstadt als Lebensraum. Seine Ölgemälde zeigen Stadtansichten, etwa von Berlin, New York, Paris oder Madrid, moderne Panoramen, aufgenommen von einem erhöhten Aussichtspunkt. Eine zweite, damit eng zusammenhängende Serie von Gemälden erfasst das Treiben der Menschenmasse an den typischen großstädtischen Treffpunkten: bei einem Fußballspiel im Stadion, am Strand, beim Marathonlauf oder auf dem Markt. Immer wählt Fleck eine Perspektive, die ihn auf Abstand zu den vielen Menschen hält. Sie erscheinen als gesichtslose Masse, eng miteinander im selben Erlebnis verbunden, beim Jubel im Fußballstadion, in der gemeinsamen Vorwärtsbewegung beim Marathonlauf oder beim Sonnenbad am Strand. Die vervielfachte Bewegung führt im Bild zu einer ornamentalen Verzahnung der Figuren, aus der Mulitiplizität entwickelt sich eine geradezu abstrakte Form der Malerei. Ein Eindruck, der durch die betonte Ausschnitthaftigkeit der Szene noch verstärkt wird. Im Medium der Skizze entreißt der Maler dieser entindividualisierten Menge nun jedoch einzelne Figuren, die sich ihres Umfeldes, des Stadtraumes beraubt, auf dem luftig wirkenden Fond des braunen Papiers in ungewohnter Freiheit entfalten können. Alter und Geschlecht, Haltung und Kleidung lassen sich erkennen und deuten – man fühlt sich herausgefordert, die Menschen und ihre Geschichte zu ›lesen‹, auch wenn ihre Gesichter verborgen oder hinter Sonnenbrillen versteckt bleiben. Ohne weitere Inszenierung zeigt Fleck in diesen Skizzen einen Moment im unspektakulären Alltagsleben einzelner, offenbar willkürlich ausgewählter Menschen. In der malerischen Realisierung vermittelt sich – ganz nebenbei – die Unwiederholbarkeit dieser Momente, die Einmaligkeit des Lebensvollzugs, die Kostbarkeit des Augenblicks.