Tilo Baumgärtel (geb. 1972) charakterisiert seine Arbeitsweise als »gegenständlich, figürlich und erzählend« und unterstreicht dies stets auch durch die von ihm gewählten Titel seiner Arbeiten.
Der Ausgangspunkt seiner Bildwerke ist das gedankliche Spiel mit minimalistischen Fragmenten aus dem Spannungsfeld zwischen seinem persönlichen Alltag und der objektiven Bilderflut der Massenmedien. Zwischen den verschiedenen Realitätsebenen seiner Werke lässt uns der Künstler eine zugleich vertraute und fremde Welt voller Ahnungen und Rätsel entdecken. Baumgärtel ist ein Meister unterschwelliger Spannung und subtiler Verwerfungen. Seine Konzeptionen haben ihre Wurzeln im Surrealismus – besonders die kühle Atmosphäre und die stark fluchtende Räumlichkeit in seinen Arbeiten weisen darauf hin. Mit der Idee, Mensch und Technik oder Mensch und Natur ohne erkennbaren Kausalzusammenhang aufeinander treffen zu lassen, hat in der Vergangenheit schon Max Ernst meisterhaft die Absurdität der Technikgläubigkeit seiner Generation zum Ausdruck gebracht. Auch Tilo Baumgärtel verweist bisweilen direkt auf diese Vorbilder.
Zeichnungen und Skizzen markieren dabei einen wichtigen Schaffensbereich des Künstlers. In Form, Format und Sujets eigenständig, geben sie Einblick in die inneren Monologe des Künstlers und seine Reflektion täglicher Erfahrungen und Eindrücke. Die vordergründigen narrativen Spuren, die der Künstler in seinen Werken legt, führen dabei stets ins Leere. Sie leiten den Betrachter auf das unsichere Terrain assoziativer und analytisch gebrochener Erzählfragmente. Der Kohlestift erlaubt es Baumgärtel dabei, seine Ideen spontan in großen Kompositionen zu entwickeln, Figuren und Dinge dynamisch wachsen zu lassen oder in einem Zustand zwischen greifbarem Körper und ephemerer Erscheinung zu belassen.
Auch in der großformatigen Kohlezeichnung von 2009 bleibt »Die Insel« trotz ihrer offensichtlichen Gegenständlichkeit in Form einer Badeszene inmitten einer Gewitterlandschaft in ihrem Stimmungsgehalt völlig unklar. Die Badenden wirken autistisch, nehmen ihre unmittelbare Umgebung augenscheinlich kaum wahr. Den aufkommenden Wind, den einsetzenden Regen und den bedrohlichen Wolkenhimmel scheinen sie zu ignorieren. Ohne miteinander zu kommunizieren, dümpeln sie scheinbar lautlos und beziehungslos wie in einem Traum in diesem Panorama herum. Die belebte »Insel« bleibt so Ort einer ungelösten (An-)Spannung zwischen den Menschen und ihrem Verhältnis zur umgebenden Natur, die kurz vor einer ungeheuren Entladung zu stehen scheint.