Das monumentale Gemälde »Äpfel« schuf Karin Kneffel (geb. 1957) im Jahr 2002 im Auftrag der ALTANA AG für das Herbert-Quandt-Haus (heute Inge-Quandt-Haus): Die hochformatige Komposition zeigt den Ausschnitt aus einem Apfelbaum vor einem neutralen tiefgrauen Hintergrund, der keinerlei topographische Hinweise erlaubt.
Groß und schwer leuchten realistisch gemalte rot-gelbe Früchte zwischen grünem Laub und dunkelbraunem Geäst. Jeder einzelne Apfel scheint makellos, wie poliert, keine Faulstelle und kein Wurmloch, kein welkes oder durch Pilz oder Parasiten befallenes Blatt stören den Eindruck der vollkommenen Schönheit. Gerade dieser – gewollte – Perfektionismus, diese unnatürlich anmutende Vollkommenheit verstört sehr schnell den Betrachter, der sich zunächst von der Ästhetik, der Monumentalität und dem fast altmeisterlich anmutenden Realismus der Darstellung in Bann ziehen lässt. Je deutlicher jedoch die Schönheit, das Perfekte in Erscheinung treten, desto mehr verkehrt sich der Eindruck ins Gegenteil und die Existenz des Unvollkommenen wird evident. Diese Ambivalenz aus Realismus und übernatürlicher Erscheinung, aus Schönheit und überzogener Makellosigkeit rückt die Darstellung vom ersten Eindruck einer präzisen, wissenschaftlich-genauen, unterkühlten Nachahmung der Natur ab, schafft eine emotionslose, kalte Atmosphäre und damit eine unüberbrückbare Distanz, erzeugt Unheimlichkeit, fast Bedrohlichkeit. Trotz der augenscheinlichen Gegenständlichkeit verweist dieser Weg der Auseinandersetzung mit dem Bild auf seine eigentlichen Elemente – auf die Farbe und auf die Komposition und somit auf eine ›nahezu abstrakte Haltung‹, die die Künstlerin trotz aller Gegenstandsnähe einnimmt. Das Motiv – der Apfelbaum – rückt so hinter kompositorischen und technischen Fragen in den Hintergrund und lässt noch weniger eine bedeutungsträchtige Anschauung der Natur zu. Wichtiger erscheint ein subtiles Spiel zwischen Realem und Irrealem, Wirklichkeit und Täuschung. Dabei sind auch die der modernen Medienwelt entlehnten Mittel der Überdimensionierung und der Ausschnitthaftigkeit der Komposition von entscheidender Bedeutung, die die Künstlerin in einer fein kalkulierten Strategie einzusetzen weiß.