Das Lange Haus in Karpfsee ist das erste Bauprojekt der Stiftung Kunst und Natur auf ihrem Gelände. Ein Ort der Begegnung mit Kunst und Natur. Im Juni 2017 wurde es eingeweiht. Architekt Florian Nagler hat hierfür die bestehende Hofstelle Karpfsee neu belebt und Bestand, Tradition, Modernität und Nachhaltigkeit an diesem Ort vereint. Mit dem Zusammenschluss der beiden zentralen Hofgebäude entsteht eine ungewöhnliche Verbindung von Landwirtschaft und Veranstaltungsbetrieb in einem Gebäude.
Auf dem Standort der ehemaligen Hofstelle Karpfsee ließ Architekt Florian Nagler, Professor für Entwerfen und Konstruieren an der Technischen Universität München die neue Anlage entstehen: Das Lange Haus vereint die beiden ehemaligen zentralen Stallgebäude. Hier verbinden sich landwirtschaftliche Nutzung, Veranstaltungen und Gästehaus unter einem Dach. Auch die zum Weiler gehörende Rentei und das Wohnhaus sind überarbeitete Bestandsgebäude. Das einzige neue Element bildet das Energiehaus als Zentrum für das Energiekonzept des Langen Hauses.
Nagler macht den "Respekt vor den vorhandenen Strukturen und eine behutsame Weiterentwicklung des Standorts“ zum Grundprinzip seines Entwurfes.
Florian Nagler im Gespräch mit Oliver Herwig zu Ideen und Grundsätzen für das Lange Haus
Oliver Herwig: Herr Nagler, Nantesbuch und den Ort Karpfsee kennen Sie seit Ihrer Kindheit. Was hat Sie an der Bauaufgabe besonders gereizt?
Florian Nagler: Der Ort. Er ist von herausragender Schönheit. Das bedeutet eine besondere Herausforderung, mit dieser Lage umzugehen. Eine solche Baustelle gibt es nicht alle Tage, in einer derart wunderbaren Lage, auf einem Hügel vor der Alpenkette.
O.H.: Was war für Sie der gestalterische Schlüssel?
F.N.: Ich sah vor allem, wie die beiden langen Ställe zueinander standen, oben auf der Kuppe saßen. Wir mussten das Ensemble nur etwas stärken, da die Grundanlage bereits sehr gut war. Von Anfang an war für uns wichtig, dass es sich um ein Umbauprojekt handelt und wir mit der Substanz arbeiten.
O.H.: Nun entstand etwas ziemlich Selbstverständliches: ein 130 Meter langes Gebäude, robust und selbstbewusst, mit einer vielfältigen Nutzung. Dazu kommen weitere Bestandsbauten.
F.N.: Es ging, wie gesagt, um ein Ensemble. Fünf Baukörper standen bereits: zwei Wohngebäude, zwei Ställe und der Wasserturm. Wir nutzten das, was wir vorfanden, nahmen die Einbauten der letzten Jahrzehnte zurück und freuten uns an den guten Grundrissen. In ihrer Grundstruktur erhielten wir die schönen Wohnhäuser.
O.H.: Auch kam Ihnen die Struktur der Ställe entgegen...
F.N.: ... ihre landwirtschaftliche Herkunft. Unten Ställe, oben Tenne. Also dachten wir in dieser Struktur. Unten entstanden kleine Räume: Küche und Zimmer der Seminargäste, dazu Ställe und Werkstätten. Oben öffnen sich unter dem Tragwerk große Seminarräume. Noch in 100 Jahren könnte man wieder ausräumen und etwas anderes daraus machen.
Strom, Wärme und Kühle aus Holz und Sonne: Die Themen Natur und Nachhaltigkeit spielen beim Energiekonzept für das Lange Haus die zentrale Rolle. Die Stiftung Kunst und Natur hatte hier zum Ziel, ein regeneratives Plusenergiegebäude mit 100 Prozent Stromautarkie zu schaffen.
Aufgrund der geographischen Lage inmitten von Wald lag es nahe, auf heimisches Holz als Energieträger zu setzen.
Hackschnitzel sorgen nun für die Wärme im Langen Haus. Der nachwachsende Rohstoff wird aber auch zur Stromgewinnung eingesetzt. Das geschieht über die Holz-Kraft-Anlage. So versorgt sich das Anwesen also aus einem Blockheizkraftwerk, das anders als viele andere Modelle jedoch nicht mit Erdgas, sondern mit Holzgas betrieben wird, das direkt vor Ort über einen Verbrennungsprozess hergestellt wird. Und anders als ein erdgas-betriebenes BHKW läuft diese Anlage CO2-neutral. Die Technik ist übrigens nicht neu, sondern eher wiederentdeckt worden. Schon in den 1930er- und 1940er-Jahren wurden Fahrzeuge aufgrund des Treibstoffmangels mit einem Holzvergaser ausgestattet. Die Abwärme aus dem BHKW wird zum Heizen, aber auch zum Trocknen der Hackschnitzel eingesetzt – ein geschlossener Kreislauf also. „Wir sind nah an einem autarken System“, erklärte Architekt Forian Nagler in einem Interview.
Weiterer Strom wird über eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des Energiehauses gewonnen. Er soll künftig auch eine Solartankstelle speisen, an der emissionsfreie E-Autos aufladen können. Lediglich der Überschuss an Strom, der nicht selbst verbraucht werden kann, wird ins öffentliche Netz eingespeist.
Wichtig ist aber nicht nur, dass es im Winter schön warm in den Räumen ist, sondern auch, dass es in der Sommerhitze nicht zu heiß wird. Dafür sorgt eine sogenannte freie Kühlung aus Erd-sonden. Das Prinzip ist einfach: Kaltes Wasser aus etwa 100 Metern Tiefe wird durch die Fußboden-, Wand- oder Deckenheizung geleitet und sorgt so für eine Kühlung des Raums.
Das Büro Florian Nagler Architekten wurde für die Architektur des Langen Hauses mit mehreren Preisen ausgezeichnet.