Dürers Credo, ‚Denn wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer sie heraus kann reissen, der hat sie‘, von meinem Vater, als ich noch ein Kind war gepredigt, erhielt wieder Bedeutung. Bei mir hiess das Herausreissen in erster Linie das Finden geeigneter Motive aus der unermesslichen Vielfalt der Natur. Ich fand sie rund um’s Haus und im Tal am wilden Schwarzwasser.
Der Schweizer Künstler Franz Gertsch (geb. 1930) gab 1986 für einige Jahre die Malerei auf und wandte sich dem Holzschnitt zu. Gertsch, der Ende der 1970er-Jahre zunächst mit hyperrealistischen Gemälden bekannt wurde, fand in den Holzschnitten das Medium, das ihm die serielle Bearbeitung eines Motivs mit unterschiedlichen Farben ermöglicht. Die Ausstellung im Museum Sinclair-Haus zeigt eine repräsentative Auswahl der Holzschnitte von Franz Gertsch.
Die Porträts Natascha (1986) und Silvia (2008) bilden die chronologische Klammer der Ausstellung, die überwiegend großformatige Drucke und umfangreiche Serien mit Natur- und Landschaftsdarstellungen zeigt. Gertsch nimmt in den fein gearbeiteten Holzschnitten seichte Bewegungen an der Wasseroberfläche auf, lässt auf dem Papier Waldwege entstehen und lenkt den Fokus auf Gräser in Nahsicht. Durch fotografische Vorlagen zunächst aus der realen Umwelt gegriffen, verwandeln sich die Motive im Laufe eines mehrstufigen Entstehungsprozesses in die faszinierende Immaterialität eines atmosphärischen Farbraums. Gertsch überträgt während dieses Prozesses die Bildvorlage in ein filigranes Schema aus Lichtpunkten und treibt mit dem Hohleisen das Motiv Punkt für Punkt in eine Holzplatte.
Hinter dem durchlässigen Vorhang monochromer Farbe ermöglichen seine Holzschnitte eine völlig neue Sicht auf vertraute Naturmotive. Die in Zusammenarbeit mit Franz Gertsch konzipierte Ausstellung führt in einer konzentrierten Auswahl die drei entscheidenden Werkkomponenten Zeit, Motiv und Farbe zusammen.
Franz Gertsch lebt und arbeitet in Rüschegg im Kanton Bern, Schweiz.