Juul Kraijer. Zweiheit - 1. März verlängert bis 2. August 2020

Pressemitteilung 01.02.2020
Pressemitteilung

Die niederländischen Künstlerin Juul Kraijer beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit der Natur des Menschen. Der Körper dient ihr dabei als Projektionsfläche für Gefühle und Zustände, die Grenzen des Körpers werden ausgelotet.

Das Museum Sinclair-Haus gibt mit der Einzelausstellung einen umfassenden Einblick in das Werk der in Rotterdam arbeitenden und lebenden Künstlerin. Die rund 60 gezeigten Arbeiten umfassen Zeichnungen, Skulpturen, Fotografien und Filme. Die Ausstellung ist Teil des Jahresprogramms der Stiftung Nantesbuch, das 2020 unter dem Thema „Bestimmung“ steht. Juul Kraijer spielt in ihren Werken mit festen Zuschreibungen, indem sie den menschlichen Körper bildnerisch transformiert bis hin zur Auflösung der scharfen Trennlinien zwischen Mensch und Tier oder Mensch und Pflanze.

Juul Kraijer, Untitled, 2016-2017, © Juul Kraijer

Der Körper als Gefäß, als Träger von Bedeutung, einer Bedeutung, die Körperform angenommen hat. Verkörpert. Dieses Wort ist perfekt: Körper – verkörpert.

Juul Kraijer

Juul Kraijer wurde 1970 in Assen, Niederlande, geboren und studierte von 1989 bis 1994 Malerei an der „Academie voor Beeldende Kunsten“ in Rotterdam. Ihr künstlerisches Schaffen drehte sich von Beginn an um das Medium der Zeichnung. In ihren teils monumentalen Kohlezeichnungen stellt die Künstlerin vor allem weibliche Figuren dar, die aus jeglichen kulturellen, zeitlichen und räumlichen Kontexten herausgelöst sind. Abwesend und wie in Trance scheinen sich die Figuren ihrer selbst kaum bewusst zu sein, genauso wenig wie der Verwandlung, die ihnen geschieht: So löst sich der Körper mal in einen Fischschwarm auf oder er verschmilzt mit knorrigen Ästen, ein anderes Mal ist er gespiegelt, gedoppelt und dabei beobachtet er sich selbst. Kraijers Werke loten die Grenzen des Körpers aus und überschreiten sie immer wieder.

Juul Kraijers Zeichnungen zeigen also keineswegs reale Situationen oder Personen. Vielmehr dient ihr der Körper als Medium, um geistige Zustände oder Gefühle zu visualisieren. Die Dualität von Innen und Außen, von Körper und Geist, von Einheit und Zweiheit wird aufgelöst. An ihre Stelle rückt eine unbestimmbare, fließende Vielheit, die feste Zuschreibungen und Definitionen unterläuft.

Ina Fuchs, Kuratorin der Ausstellung, ergänzt: „Durch das Herauslösen der Figuren aus jeglichen kulturellen, örtlichen und zeitlichen Kontexten, drehen sich die Arbeiten von Juul Kraijer um die Essenz des Menschseins. Sie sind daher gerade in unserer heutigen Zeit von Bedeutung. Was verbindet uns, was haben wir gemeinsam? Mit ihrem Werk dringt sie in die Tiefen der menschlichen Natur vor.“

Für ihre Motivfindung schöpft Juul Kraijer immer wieder aus der Natur sowie aus der westlichen Kunst- und Kulturgeschichte. Einige Arbeiten erinnern an die sich in einen Baum verwandelnde Daphne oder an die Schlangenhaare der Medusa. Darüber hinaus findet Juul Kraijer Inspirationen jenseits des europäischen Kanons, vor allem in der Bildwelt Indiens, wo sie einige Studienaufenthalte verbracht hat.

All diese visuellen und thematischen Impulse übersetzt Juul Kraijer in bildmächtige Arbeiten. In den letzten Jahren hat Kraijer begonnen, über die Zeichnung hinaus auch in den Medien Video und Fotografie mit den Grenzen des körperlich Möglichen und körperlich Erträglichen zu experimentieren. Die Ausstellung in Bad Homburg lädt dazu ein, Kraijers Arbeiten zu entdecken und den Reichtum ihrer Motive in Werken aus drei Jahrzehnten zu verfolgen.

Zur Ausstellung erscheint ein zweisprachiger Katalog (Deutsch / Englisch), Kuratorin Ina Fuchs spricht darin mit Juul Kraijer über ihre Arbeiten und das Leben als Künstlerin. Das Arbeitsheft „Blattwerke: Gefühlsköper“ bietet assoziativ Anregungen für die kunstpraktische Vermittlung und gibt Inspiration für die eigene künstlerische Auseinandersetzung.

Die Ausstellung wird von einem umfassenden Veranstaltungs- und Vermittlungsprogramm rund um die Themen „Dualität“, „Bestimmung“, „Körper und (Körper-)grenzen“ begleitet. Musik, Literatur, Philosophie, Wissenschaft und Kunst vertiefen die Themen der Ausstellung. So entführt u.a. die Musikerin Ashia Bison Rouge mit Cello, Loopstation und Stimme in fantastische Klangwelten (6. Mai), bei einer Lesung mit Musik geht es um das „Tier im Menschen und den Mensch im Tier“ (18. März) und die Performance „Hautnah“ (22. April) lotet menschliche Grenzen aus. Das neue Format „Handlungsspielraum“ (26. April) lädt einen Sonntag lang Besucher zum Zeichnen und Bewegen ein. 12 Künstler, darunter Illustratoren, Tänzer und bildende Künstler gestalten an diesem Sonntag einen Entdeckungsrundgang im Schlossgarten und im Museum Sinclair-Haus, u.a. steht ein „Kritzelzelt“ für Experimente offen. Kristine Preuß, Leiterin der Kunstvermittlung, ergänzt: „Vermittlung ist ein zentrales Anliegen des Museum Sinclair-Haus. Die sinnliche Auseinandersetzung mit Themen und Inhalten sowie ganzheitliches und individuelles Lernen im Austausch mit Künstlern prägen das umfangreiche Angebot.“ Das interdisziplinäre Vermittlungsprogramm arbeitet in mehrjährigen Kooperationen und bietet begleitend zu den Ausstellungen Führungen, Workshops, Weiterbildungen und Kurse für alle Altersgruppen an.