Juul Kraijer beschäftigt sich in ihrem Werk mit der Natur des Menschen. Ausdruck für alles Menschliche ist für sie dabei der Körper – er dient als Projektionsfläche, die mit dem gesamten Spektrum der menschlichen Wirklichkeit bespielt wird. Das Museum Sinclair-Haus gibt mit der Ausstellung „Juul Kraijer. Zweiheit“ einen umfassenden Einblick in das Werk der niederländischen Künstlerin. Die Einzelausstellung ist ein Beitrag des Museum Sinclair-Haus zum Jahresprogramm 2020 der Stiftung Nantesbuch, das unter dem Thema „Bestimmung“ steht.
Looking is as much a part of drawing as the act of drawing itself.
Juul Kraijer wurde 1970 in Assen, Niederlande, geboren und studierte von 1989 bis 1994 Malerei an der ‚Academie voor Beeldende Kunsten‘ Rotterdam. Ihr künstlerisches Schaffen drehte sich von Beginn an um das Medium der Zeichnung. In ihren teils monumentalen Körperzeichnungen mit Kohle auf Papier stellt die Künstlerin vor allem weibliche Figuren dar, die aus jeglichen kulturellen, zeitlichen und räumlichen Kontexten herausgerissen sind. Abwesend und wie in Trance scheinen sich die Figuren ihrer selbst kaum bewusst zu sein, genauso wenig wie der Verwandlung, der sie zumeist unterliegen: So löst sich der Körper mal in einen Fischschwarm auf oder er verschmilzt mit knorrigen Ästen, ein anderes Mal ist er gespiegelt, gedoppelt und dabei beobachtet er sich selbst. Immer wieder werden die Grenzen des Körpers ausgelotet und auch überschritten. Juul Kraijers Zeichnungen zeigen somit keineswegs reale Situationen. Vielmehr dient ihr der Körper als sichtbares Medium für die Visualisierung der unsichtbaren menschlichen Wirklichkeit, eines Gefühls beispielsweise oder eines geistigen Zustandes. Die menschliche Dualität von Innen und Außen, von Körper und Geist, von Einheit und Zweiheit wird aufgelöst.
Für ihre Motivfindung schöpft die Künstlerin immer wieder aus dem Kanon der westlichen Kunstgeschichte. So erinnern einige ihrer Arbeiten zum Beispiel an die sich in einen Baum verwandelnde Daphne oder an die Schlangenhaare der Medusa. Gleichzeitig findet sie aber auch Anleihen in der östlichen Kunst, vor allem in der Bildwelt Indiens, wo sie einige Studienaufenthalte verbracht hat. All diese visuellen Impulse lässt Juul Kraijer in ihre Bildgenese einfließen und transformiert sie in eine Bildsprache, die sich letztlich einer eindeutigen Lesart entzieht. Die Motive ihrer Zeichnungen hat Juul Kraijer in den letzten Jahren zunehmend in die Techniken der Fotografie und des Videos überführt. Auch hier arbeitet sie mit den Grenzen des körperlich Möglichen und körperlich Erträglichen.
Die Einzelausstellung im Museum Sinclair-Haus präsentiert Zeichnungen, Skulpturen, Fotografien und Filme von Juul Kraijer.