Ori Gersht betrachtet die Landschaft als Ort vergangener Ereignisse, die in seinen Filmen und Fotografien gegenwärtig werden. Auf seinen Reisen bewegt er sich auf den Spuren der Vergangenheit und übersetzt den Prozess des Erinnerns in ausdrucksstarke Bilder. Dabei sind seine Werke stets von einem Spannungsverhältnis zwischen (Natur-) Gewalt und Zerstörung einerseits und (Natur-) Schönheit und Erhabenheit andererseits geprägt.
Streift denn nicht uns selber ein Hauch der Luft, die um die Früheren gewesen ist? Ist nicht in Stimmen, denen wir unser Ohr schenken, ein Echo von nun verstummten?
Das eindrucksvolle Panorama der Pyrenäen ist in seinem Film „Evaders“ und in einer Serie von Fotografien Schauplatz der verzweifelten Flucht (etwa Walter Benjamins) vor den Nationalsozialisten. Im Film „The Forest“ wird die Idylle eines Waldes in der Ukraine durch plötzlich umstürzende Bäume unmittelbar gestört. Mit dieser martialischen „Störung“ verweist Gersht auf den Wald als unsicheren Zufluchtsort (auch seiner Vorfahren) vor Entdeckung und Deportation. Über den konkreten historischen Kontext hinaus sind jedoch alle Arbeiten des Künstlers – etwa seine Fotografien von zerberstenden, barocken Blumensträußen, oder von verwitterten Olivenbäumen in Israel – außergewöhnliche Metaphern für die widersprüchliche Natur des Menschen und für die unlösbaren Zusammenhänge von Vergangenheit und Gegenwart, von Leben und Tod.
Ori Gersht, geboren 1967 in Tel Aviv, lebt und arbeitet in London. 1993 bis 1995 absolvierte er seinen Master in Fotografie am Royal College of Art in London. Seit 2000 sind seine Foto- und Videoarbeiten in internationalen Einzelausstellungen zu sehen, zuletzt in London und Boston (2012), sowie in Tel Aviv und New York (2015).