In einer kartographischen Erstaufnahme des Geländes zwischen Gut Nantesbuch und Königsdorf aus dem Jahr 1811 ist zu erkennen, dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Haselbach noch einen ursprünglicheren Verlauf mit ausgeprägten Mäandern aufweist. Er schlängelte sich in vielen Windungen und Schleifen durch die Wiesen zwischen Gut Nantesbuch und Königsdorf. Mitunter trat er über die Ufer und überschwemmte das anliegende Tal, bot aber vielfältigen Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Dann im Zuge der Industrialisierung und Nutzungsintensivierung in der Landwirtschaft wurde der Haselbach im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts begradigt, vertieft und seine Auen drainiert.
Bis vor kurzem floss er beinahe schnurgerade durch die Wiesen. Im Rahmen einer aufwändigen Renaturierungsmaßnahme der Stiftung Kunst und Natur ändert sich dies nun wieder. Ziel derartiger Unternehmungen ist es, degradierte und übernutzte Ökosysteme wieder in einen ursprünglicheren Zustand zu versetzen und die natürlichen Standortbedingungen im Hinblick auf Nährstoff- und Wasserhaushalt wieder herzustellen und damit die Ansiedlung standortgerechter Pflanzen- und Tierarten zu fördern. Dies erfordert unterschiedliche Maßnahmen, wie Nutzungsextensivierung, die Anpflanzung standorttypischer Arten oder auch die maschinelle Neugestaltung von Lebensräumen.
Die Karte aus dem Jahr 1811 bildet die Grundlage für die Planung der Renaturierung des Haselbachs. Die neuen, alten Mäander wurden in die Natur „übertragen“ und mit Pflöcken markiert. Mit Baggern wurde im Januar 2018 das neue Bett angelegt. Die Sohle liegt dabei im Vergleich zum bisherigen Verlauf 20 Zentimeter höher. Um dieses Stück hatte sich der Bach in vergangenen Jahrzehnten eingetieft, weil das Wasser in dem begradigten Kanal schneller abfloss. Auch die Tiefe wird demnach dem historischen Zustand nachempfunden. Zur Sohlengestaltung wurde Kies aus der Loisach eingebracht, die Hauptarbeit soll aber der Bach selbst leisten: Im Laufe der Jahre soll er sein Bett weiter modellieren dürfen.
Der bislang 1,1 Kilometer lange Bachabschnitt, der das Haselbachtal durchquert, gewinnt seine Kurven zurück und dehnt sich damit auf eine Strecke von 1,4 km aus. Dies hat ein geringeres Gefälle des Bachlaufs zur Folge und bewirkt eine Reduzierung der Fließgeschwindigkeit des Wasserlaufs. Dies wiederum fördert die Ansiedelung von Pflanzen und Tieren und trägt zur Erhöhung der Artenvielfalt bei.
Die Renaturierungsmaßnahme erfolgt mit den maßgeblichen Erdarbeiten in zwei Teilabschnitten in den Jahren 2018 und 2019.
Die zeitliche Umsetzung der Maßnahme orientiert sich an der Laichzeit der Fische, die nicht gestört werden darf. Den Ergebnissen einer testweisen Elektrobefischung zufolge weist der Haselbach einen erstaunlich guten Bestand von Bachforellen, Bachschmerlen oder auch der namensgebende Hasel und der seltenen Mühlkoppe auf. Die Einbringung von Totholz im Zuge der Renaturierung soll diesen Fischarten mehr Unterstandmöglichkeiten bieten und so die Bestände zusätzlich fördern.
So wurde der erste Teilabschnitt im Januar 2018 durchgeführt. Im Januar 2019 konnten die Erdarbeiten für den zweiten Teilabschnitt und damit den gesamte Verlauf des Haselbachs auf dem Gelände der Stiftung Kunst und Natur abgeschlossen werden. Über die Frühjahrsmonate folgen Pflege und Ansaat der Retentionsflächen.
Die Renaturierungsmaßnahme wird unter anderem zur Folge haben, dass der Haselbach künftig bei Hochwasser vermehrt über die Ufer tritt und neu geschaffene Retentionsflächen überflutet. Diese natürliche Konsequenz wird bewusst in Kauf genommen. Negative Auswirkungen etwa auf die benachbarten Flächen, sind jedoch nicht zu befürchten, wie nicht zuletzt das Wasserwirtschaftsamt im Genehmigungsverfahren geprüft hat. Die Retentionsflächen werden mit einer Saatmischung aus 30 Prozent Blühpflanzen angesät, die zahlreiche Möglichkeiten für Bienen und andere Insekten, aber auch für die Vogelwelt bietet.
Nachdem das Haselbachtal lange Jahre als Jungviehweide genutzt wurde, setzt die Stiftung Kunst und Natur seit dem Sommer 2015 auf eine Pflege durch ganzjährige Beweidung mit großen Pflanzenfressern. So weidet dort eine Gruppe von "Auerochsen", die seit April 2016 von einer kleinen Herde Exmoor-Ponys begleitet wird.
Presseberichterstattung zum Thema im Münchner Merkur
Literaturhinweis zur Praxis der Bachrenaturierung:
LEV Ostalbkreis: Bachrenaturierung - Bericht aus 6 Jahren Praxiserfahrung, Ralf Worm 2011