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Sand - Ressource, Leben, Sehnsucht

Pressemitteilung 04.09.2023
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Ferhat Bouda, Ein Kind spielt in einer Siedlung nahe der Stadt Chinguetti, Mauretanien, 2018

Sand - Ressource, Leben, Sehnsucht

24.9.2023-11.2.2024

Mit Werken von:

Yann Arthus-Bertrand, Ole Bielfeldt, Ferhat Bouda, Edward Burtynsky, Andreas Gursky, Jochem Hendricks, Irenaeus Herok, Laurent Mareschal, Vik Muniz, Jenny Natusch, Jacques Pugin, Sim Chi Yin, Micha Ullman, Julia Willms & Andrea Božić, Stefanie Zoche

Kuratiert von Moritz Ohlig


Einladung zum Presse-Rundgang:
Mit Kurator Moritz Ohlig und Museumsdirektorin Kathrin Meyer
Freitag, 22.9.2023, 11 Uhr

u.A.w.g.: Claudia Praml (Leiterin Kommunikation)
per E-Mail: cp@kunst-und-natur.de/ presse.museum@kunst-und-natur.de
M: + 49 (0)151 1671 2500

Pressefotos erhalten Sie auf Anfrage per E-Mail.

Eröffnung:
Begrüßung und Einführung mit Kathrin Meyer und Moritz Ohlig.
Sonntag, 24.9.2023, 12 Uhr
Die Ausstellung ist bis 18 Uhr geöffnet.
Von 12-14-30 Uhr findet begleitend das "Offene Atelier" statt.

Sand unter den Füßen, Sand in der Hand, Sand um uns herum – was nach der Beschreibung eines Urlaubstages am Strand klingt, bestimmt in großen Teilen der Welt längst den Alltag. Straßen, Wege, Böden – wir bewegen uns auf und über Sand. Er formt dabei nicht nur unsere Strände, Sand bildet auch die Grundlage für den Bau unserer Städte. Selbst beim Display unserer Smartphones oder in unseren eigenen vier Wänden – ohne es zu bemerken, kommen wir jeden Tag mit Sand in Berührung. Nach Wasser ist Sand der zweitwichtigste Rohstoff der Welt und bestimmt die Lebensbedingungen von einem Großteil der Weltbevölkerung. Doch anders als bei anderen Ressourcen wie beispielsweise Gas, Erdöl, Holz oder Wasser wird der Umgang mit Sand bislang kaum öffentlich verhandelt. Die Redewendung „wie Sand am Meer“ scheint schon längst nicht mehr zu stimmen. Und wie bei allen knapp werdenden Rohstoffen gibt es weltweite Verteilungskämpfe, die ohne Rücksicht auf die Auswirkungen auf die Natur geführt werden. Dabei ist Sand nicht gleich Sand. Es gibt ihn in vielfältigen Beschaffenheiten, Farben und Strukturen – und nicht jeder Sand dient als Baustoff oder für die menschliche Nutzung.

Während westlich geprägte Kulturen sich mehr und mehr in Betonwüsten ansiedeln, bildet Sand in seiner natürlichen Beschaffenheit das Lebensumfeld zahlreicher nomadischer Völker. Die geografische Nähe zu sandigen Landschaften beeinflusst das Leben und den Umgang mit Sand. In anderer Form prägt Sand auch unsere Freizeit, fernab von Wüstenlandschaften. Sandstrände gehören inzwischen zu einem festen Bestandteil der Urlaubs- und Freizeitkultur. Sie ziehen jedes Jahr Millionen Urlauber an. Der Sand lädt Kinder und Erwachsene zum Spielen und Entspannen ein. In Deutschland rangiert der Strandurlaub für ein Drittel der Bevölkerung auf Platz Eins. Und nicht zuletzt ist Sand auch ein Stoff für Künstler:innen, die dem vermeintlich bekannten Material neue Dimensionen entlocken.

Die Ausstellung Sand – Ressource, Leben, Sehnsucht zeigt Arbeiten von 16 internationalen Künstler:innen, die sich den ästhetischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedeutungen von Sand widmen. Sie erkunden das Sedimentgestein in seinen unterschiedlichen Strukturen, Beschaffenheiten und Dimensionen: Von den großen, poetischen Weiten der unermesslichen Wüsten zoomt die Ausstellung hinein zu mikroskopisch kleinen Bestandteilen und macht Facetten sichtbar, die für das menschliche Auge nicht erkennbar sind.

Unsere Verbundenheit mit den Ressourcen der Welt – fußend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, Wissen und emotionalem Erleben – ist für unsere Zukunft unverzichtbar. In diesem Sinne laden die Ausstellung und der Katalog dazu ein, die Vielfältigkeit von Sand zu entdecken: sowohl seine Schönheit als auch seine Rolle als tragendes Material für das Anthropozän, die wir ihm als Menschheit zugewiesen haben.

Jacques Pugin, #143 Sacred Site, 26°37’12″N 13°13’14″E, Libyen, 2006, Fotografie

Rundgang im Museum Sinclair-Haus

Unterschiedliche Perspektiven auf Sand bieten die ausgestellten Arbeiten der 16 internationalen Künstler:innen, vom künstlerischen Blick auf das Material, über Sand als Lebensraum, oder auch als Sehnsuchtsort – die Ausstellung stellt den Rohstoff in den Mittelpunkt, der in unserem Leben eine (un)heimliche Omnipräsenz hat, und oftmals nur nebenbei wahrgenommen wird.

Der Rundgang im Museum Sinclair-Haus beginnt mit der Situation des Sehnsuchtsortes Strand. Die Installation von Laurent Mareschal (*1975), in der Kinder einer Jüdisch-Arabischen-Schule beim Spiel am Strand zu sehen sind, lädt ein, ebenfalls im Sand aktiv zu werden. Unterscheidet sich unser Spiel von dem der gezeigten Kinder? Irenaeus Herok weckt mit seiner Darstellung vom Bondi Beach in Australien unterschiedliche Reaktionen. Die einen entwickeln direkt Urlaubsgefühle und den Wunsch nach Sand unter den Füßen, anderen graust es vor den Menschenmengen. Was bedeutet jedem einzelnen von uns ein Tag am Strand? Seit wann ist der Strand Erholungsraum? Welche Sehnsüchte verbinden Menschen mit Stränden?

Die Fotografien von Andreas Gursky (*1955) dokumentieren einen bereits vergangenen Zustand des Gigaprojekts The World vor der Küste Dubais aus den Jahren 2007/08. Die Aufnahmen von Yann Arthus-Bertrand (*1946) zeigen die Entstehung dieser künstlichen Inselgruppe. Auf ästhetische Weise führen die Luftbilder der beiden Künstler unabhängig voneinander den in gewaltigen Dimensionen spielerisch-unbedarft anmutenden und zugleich verantwortungslosen Umgang mit der Ressource Sand vor Augen. Welche Haltung ist langfristig sinnvoll im Umgang mit überlebenswichtigen Ressourcen?

Das Schwinden der Ressource Sand steht im Zentrum der Arbeiten von Stefanie Zoche (*1965). Eine Videoprojektion stellt geisterhafte Rohbauten und Investitionsruinen in Spanien dem illegalen Sandabbau in Indien und Marokko gegenüber. Ihre Skulptur, die Nachformung eines vierbeinigen Wellenbrechers, verweist auf den menschlichen Eingriff zur Regulierung von Naturgewalten und deren Folgen. Wie gehen wir mit den Folgen menschlicher Eingriffe in Ökosysteme um?

Auszüge aus den Sandsammlungen des Museum Wiesbaden und der Stadt Aulendorf geben mit über 1600 Proben Einblick in die faszinierende Vielfalt von Sand. Mit der Kamera folgt Ole Bielfeldt (*2000) mallorquinischem Sand, der ins Wasser rieselt und offenbart eine form- und farbenreiche Makrowelt, die wir mit bloßem Auge nicht erkennen können.

Auch Jenny Natusch (*1971) lässt uns einzelne Bestandteile von Sanden internationaler Herkunft entdecken. Ihre Aufnahmen offenbaren die unterschiedlichsten Formen und Farben des Sediments. Sonst sprichwörtlich in Massen vorkommend, wird bei Micha Ullman (*1939) ein einzelnes Sandkorn zum Star. Ein unter 2 mm großes Korn der israelischen Küste kann unter die Lupe genommen werden. Der brasilianische Künstler Vik Muniz (*1961) erzeugt mithilfe von Ionenstrahlen eine der wahrscheinlich kleinsten Sandburgen der Welt und das auf einem einzelnen Korn.

Die Künstlerinnen Andrea Božić (*1971) und Julia Willms (*1974) spielen in ihrer audiovisuellen Installation mit unserer Wahrnehmung und der Frage nach Realitäten. Sind die Objekte wirklich aus den Materialien, die sie vorzugeben scheinen? Oder ist doch alles nur Sand?

Auch der in Offenbach lebende Künstler Jochem Hendricks (*1959) setzt sich mit der Erwartungshaltung einer Überprüfbarkeit auseinander. Seine Arbeiten umfassen Millionen von Hand abgezählter Sandkörner. Oder tun sie das etwas doch nicht? Zudem thematisiert er monotone Arbeitsprozesse einer massenorientierten Wirtschaft und den Wert von Arbeit.

Die Aufnahmen Edward Burtynskys (*1955) von den unzählbaren Sandmassen, aus noch unversehrten Regionen der Wüste Namib, erzählen von einem Zustand, in dem die Menschen noch nicht in die Natur eingegriffen haben.

Die Arbeiten von Jacques Pugin (*1954) fangen menschenleere Wüsten ein. Sie erfassen Strukturen und Farben der Sandlandschaften, die in Ihrer Unberührtheit fast unwirklich anmuten und uns Menschen verschwindend klein erscheinen lassen.

Der in Frankfurt am Main ansässige Fotograf Ferhat Bouda (*1976), selbst aus einer algerischen Berberfamilie stammend, fängt in seinen Bildern das Leben und Überleben nomadischer Bevölkerungsgruppen in Zentralafrika und darüber hinaus ein. Er gewährt uns damit Einblicke in sich im Wandel befindende, traditionelle Lebensformen und Kulturen. In einer Kombination von dokumentarischen Fotografien und einer VR-Animation zeigt Sim Chi Yin (*1978) am Beispiel Asiens die schwer zu fassenden Dimensionen des Sandabbaus und seine Folgen für die lokale Bevölkerung. Von Wiege- und Klageliedern begleitet kann man im Schein der Taschenlampen die Spuren eines durch den Sandabbau bedingten Erdrutsches erkunden.

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Katalog

Sand - Ressource, Leben, Sehnsucht

Hrsg. Stiftung Kunst und Natur

Mit Beiträgen von Bettina Baltschev, Anja Fischer, Fritz Habekuß und Christina Anna Lanzl

Einführung von Moritz Ohlig

Hirmer Verlag, 2023; 120 Seiten, 62 Abbildungen in Farbe, Blauer-Engel-Zertifizierung, ISBN: 978-3-7774-4243-3,

30 Euro

Kunstvermittlung

Die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst kann neue Sichtweisen auf unsere Beziehungen zur Natur eröffnen, in Hinblick auf unsere Zukunftsgestaltung eine unabdingbare Notwendigkeit.

Angebote zum sinnlichen Erleben von Kunst und Natur laden Menschen jeden Alters ein, sich mit den Themen der Ausstellung zu beschäftigen. Künstler:innen und Kunstvermittler:innen aus den Bereichen Bildende Kunst, Musik, Tanz, Schauspiel und Literatur knüpfen in experimentellen Formaten, in Workshops, Kursen und dialogischen Führungen (sonntags, 11.30 Uhr) an die Ausstellung an und machen das Thema Sand für Menschen jeden Alters erfahrbar.

So ist das Atelier gleich mehrmals in der Woche geöffnet: Jeden Dienstag findet ab 15.30 Uhr eine offene „Kunst-Werkstatt für Kinder und Jugendliche“ (ab 12.9.23) statt. An den Donnerstagabenden (ab 12.10.23) gibt es einen regelmäßigen „Kunstkurs für Erwachsene“ in dem die Geschichte eines Sandkorns künstlerisch umgesetzt wird. Immer am ersten Sonntag im Monat (8.10., 5.11., 3.12.23, 7.1. und 4.2.24, 13-17 Uhr) lädt das „Sonntagsatelier“ Kinder und Erwachsene zum Malen, Fotografieren und zu Sand-Kunst-Experimenten ein. Neu sind die regelmäßigen Führungen für Familien, Kinder und Erwachsene am ersten Sonntag im Monat (jeweils um 11.30 Uhr). Das offene Ferienatelier Sand-Kunst-Experimente ist an drei Tagen in den Herbstferien geöffnet (25.–27.10.23, 14-18 Uhr) und lädt Kinder ab 7 Jahren ein, mit Sand zu experimentieren und Geschichten zu schreiben. Der „Kunstbesuch zu Hause“ für Senior:innen und Menschen mit Behinderung wird fortgesetzt. Hierbei kommt die Kunstgeragogin Astrid Kemper mit Bildern der Ausstellung und einem Tisch-Workshop ins Seniorenheim oder auch nach Hause.

Weiterhin ist das Museum jeden Vormittag exklusiv für Schulen, Hochschulen und Kitas geöffnet. In altersgerechten Führungen und Workshopangeboten gibt es Raum, gemeinsam über das Gesehene zu sprechen und praktisch im museumseigenen Atelier zu arbeiten.

Darüber hinaus werden die Bildungsangebote der Stiftung in einer Fortbildungsreihe für Lehrende und Kulturtätige sowie in Kooperationsprojekten mit Schulen und Universitäten erlebbar.

Musik, Literatur und Gespräch

Im vielfältigen Kulturprogramm am Mittwochabend (jeweils 19 Uhr) laden wir zu Musik, Literatur und Gesprächen in die Ausstellung ein.

Ferhat Bouda dokumentiert und erzählt vom Leben der Berber und anderer nomadischer Völker in seinen Fotografien. Anja Fischer hat immer wieder bei den Imuhar (Tuareg) in der Westsahara gelebt. Im Gespräch (11.10.23) mit Daniella Baumeister (hr2-kultur) berichten sie, wie es sich im Sand lebt, und wie dies den Alltag und die Kultur prägt.

In der musikalischen Lesung (22.11.23) Im Bann der Wüste liest die in Frankfurt am Main lebende Schauspielerin Anna Staab Texte vom Reisen und Leben in der Wüste. Begleitend spielt der marokkanische Gnawa-Meister Rabii Harnoune traditionelle Stücke auf seinem Instrument, der Gimbri. Das Ensemble Perismon (29.11.23) ist als Teil des Bridges-Kammerorchesters international besetzt. Es verwebt Klänge aus der mongolischen, persischen und jüdischen Kultur und nimmt sein Publikum musikalisch mit in von Sand geprägte Regionen. Assoziativ lädt der Cellist Christopher Herrmann mit seinem Trio (24.1.24) u.a. mit Stücken von Philip Glass über Peter Gabriel bis Judas Priest in die weite Landschaft der Wüste ein und improvisiert spielfreudig zum Ausstellungsthema. Im Workshop (31.1.24) der Schriftstellerin Saskia Hennig von Lange können die Teilnehmenden sich spielerisch-schreibend der Ausstellung und ihren Werken nähern.

Tickets ab 15.9.2023 unter:tickets.museum-sinclair-haus.de

Kunst und Natur für zuhause

Ergänzend zu den Angeboten im Museum präsentiert das reich illustrierte IdeenheftBlattwerke, Anregungen sich kreativ mit „Sand” zu beschäftigen: Wofür ist Sand wichtig? Wie entsteht Sand? Und wo ist Sand überall enthalten? Warum ist Sand unser „Alltagsheld“? – Neben Hintergrundinformationen zur Ausstellung, bietet das Heft vielfältige assoziative Übungen und praktische Ideen sich mit Sand zu und seiner Bedeutung für unseren Alltag zu beschäftigen – ob in der Bildungsarbeit oder im privaten Gebrauch. Das Heft steht als kostenfreier Download auf der Website zur Verfügung oder ist an der Museumskasse für 6 Euro erhältlich.

Der Podcast Art'n'Vielfalt des Museums Sinclair-Haus bietet eine dreiteilige Reihe Sand an. Die Künstlerin Stefanie Zoche und der Reporter für Umwelt und Klima Fritz Habekuß haben sich mit dem Baustoff Sand auseinandergesetzt und berichten über das weltweite Geschäft mit der knapper werdenden Ressource und über die Ausbeutung der Natur und ihre Folgen.

Der Fotograf Ferhat Bouda und die Kultur- und Sozialanthropologin Anja Fischer geben Einblicke das Leben von Nomaden, deren Alltag und in vom Sand geprägte Kulturen.

Die Autorin und Kulturwissenschaftlerin Bettina Baltschev hat acht Strände in Europa besucht und gibt im Austausch mit der Podcasterin und Journalistin Marilena Berends, die Gastgeberin der Reihe ist, Einblicke in deren Gegenwart und Geschichte.

Podcastreihe: Ab 15.9. September online